Von Puerto Maldonado nach Rio Branco
Donnerstag, 03. Oktober
Puerto Maldonado - Iberia
Bei Tagesanbruch setze ich mit der Fähre über den Madre de Dios. Es geht schön flach weiter, und auch die Piste ist von ausgezeichneter Qualität. Ich komme flott voran, suche mir alle 10 bis 15 km ein schattiges Plätzchen und gönne mir eine kleine Pause. Seit ich die Anden verlassen habe ist das stupide "Gringo, Gringo"-Geschreie der Einheimischen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. Hier schreit man jetzt "Mauricio, Mauricio". Das hat zumindest nicht den faden Beigeschmack eines Schimpfwortes, und außerdem wird dazu immer freundlich gewunken. Jedes Mal, wenn die Straße einen Fluss kreuzt findet sich dort eine gute Bademöglichkeit - meistens inmitten des ortsansässigen Jungvolkes- an der ich natürlich nie achtlos vorbeifahre.
Iberia - Assis Brasil
Freitag, 04. Oktober
Früh ist es nicht mehr weit bis Iberia, dem einzigen Ort nennenswerter Größe zwischen Puerto Maldonado und der Grenze. Ich gönne mir eine ausgiebige Frühstückspause, ordne meine Taschen neu und suche meine seit gestern angefallenen Abfälle zusammen. Leider ist Iberia aber nicht groß genug für einen öffentlichen Mülleimer. Wie schon so oft zuvor muss ich meinen Dreck wieder aus der Stadt mit hinausnehmen. Eigentlich könnte ich meinen Müll wie die Einheimischen auch einfach an den Straßenrand oder in den nächsten Fluss werfen, denn etwas anderes wird hier mit Abfallcontainern auch nicht gemacht. Aber nicht mit mir. Wenn sie schon ihr schönes Land voller Müll haben wollen sollen sie es gefälligst selber machen. Meine Mülltüten halten den offiziellen Dienstweg ein.
Nach Iberia wird es immer hügeliger, eine schweißtreibende Angelegenheit bei diesen Temperaturen. Es weht nicht der leiseste Windhauch, außer natürlich bei den rasanten Abfahrten. Saugefährlich, aber das muss sein.
Einen brasilianischen Einreisestempel gäbe es hier nicht, den müsste ich mir "imediatamente" in Brasiléia, an der Grenze zu Bolivien, besorgen. Das ändert sich hier wohl auch wöchentlich. So eilig habe ich es aber nicht, ich frage mich erst mal zu einem guten Restaurant durch. Mir wird eine Churrascaria empfohlen, genau das Richtige nach dem wochenlangen geschmacklosen Einheitsmampf Huhn mit Reis oder Hühnerbrühe mit Kartoffeln in Peru. Der Laden ist am anderen Ende des Dorfes, schon von weitem duftet es herrlich nach gegrilltem Rindfleisch. Noch bevor ich richtig sitze steht schon der erste Teller vor mir, auch eine Flasche Bier kommt fast ohne Bestellung, ich scheine wirklich einen hungrigen und durstigen Eindruck zu machen. Doch halt, noch nicht aufmachen, por favor! "Ist die Flasche denn auch kalt?" "Na klar ist die kalt, was denn sonst?" antwortet der Wirt, der sich durch meine unbedarfte Frage offensichtlich zutiefst in seiner Berufsehre verletzt fühlt. Viel hätte nicht gefehlt und er hätte mich aus seinem Restaurant rausgeschmissen. Hat man den so was schon gehört, wo werde den Gästen denn warmes Bier vorgesetzt... War da gerade ein Lächeln auf seinen Lippen oder war er wirklich noch nie drüben in Peru?
Nach dem Essen kann ich mich kaum noch bewegen, der steile Hügel am Ortsausgang wird zur Tortur. Auch danach geht es extrem hügelig weiter, vorbei an zahlreichen Baustellenfahrzeugen, man ist hier gerade dabei, die letzten Kilometer von Rio Branco nach Assis Brasil zu asphaltieren. Am Himmel braut sich wieder etwas zusammen, und so kämpfe ich mich bis zum Einbruch der Dunkelheit voran, um dem rettenden Asphalt heute noch möglichst nahe zu kommen.
Assis Brasil - Xapuri
Samstag, 05. Oktober
Ich muss mein Zelt gestern in der Dunkelheit wohl in der Nähe einer Kirche aufgestellt haben, denn als ich grade am einschlafen war erklangen von irgendwo her deutlich vernehmbare Lobpreisungen und fromme Lieder. Dennoch kämpfe ich mich früh beim ersten Dämmerlicht aus dem Dickicht heraus und mache mich auf den Weg. Und, zu meiner großen Überraschung, bereits nach wenigen Minuten erreiche ich frischen Asphalt. Endlich. Jetzt machen die vielen Hügel wieder Spaß. Mit Vollgas den Berg runter und auf der anderen Seite mit Schwung wieder hoch. Zumindest ein Stück.
Der Vollständigkeit halber fahre ich noch für ein paar Minuten auf die andere Seite des Rio Acre, nach Cobija, der Hauptstadt der bolivianischen Provinz Pando. Somit war ich auch ganz offiziell in Bolivien.
Dann geht's weiter, immer noch ziemlich hügelig, die Sonne brennt gnadenlos. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt entdecke ich eine Bar mit großen, gepflegten Grünanlagen und Pool. An solchen Orten vergnügen sich für gewöhnlich wochenends die Bessergestellten der Stadt, das sind die, die sich ein Auto leisten können, um hierher zu fahren. Mit dem Fahrrad kommen ja ansonsten nur depperte Gringos... Heute ist Samstag und strahlender Sonnenschein, also sollte es hier eigentlich zum bersten voll sein. Außer dem Wirt und einer kleinen Familie ist aber niemand zu sehen. Seltsam. Auch als ich ein Bier bestelle werde ich angeschaut als hätte ich etwas unsittliches verlangt. Ausnahmsweise, aber ich solle mich doch bitte da hinten ums Eck setzten, damit man mich von der (300 Meter entfernten) Straße aus nicht sehen könne... Na ja, auch recht. Das Bier ist kalt und das Wasser angenehm warm, die Pause zieht sich gewaltig in die Länge.
Erst am späten Nachmittag, als sich die Hitze etwas legt, radle ich weiter. Auf den gut siebzig Kilometern von Brasiléia nach Xapuri ist vom Wald so gut wie nichts mehr zu sehen. Nichts als riesige Rinderweiden, rechts und links der Straße ist alles eingezäunt. Das ist gar nicht schön, denn die Sonne steht schon tief, es wird bald dunkel. Höchste Zeit also, sich nach einem Nachtlager umzuschauen. Was nun? Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben als bis in die Dunkelheit hinein zu radeln und dann über den Zaun zu klettern und zu hoffen, nicht von den wilden Pistoleros der Großgrundbesitzer erwischt zu werden, denn mit ungebetenen Eindringlingen versteht man hier keinen Spaß. Im letzten Dämmerlicht bin ich gerade auf der Suche nach einer günstigen Stelle, als ich weiter vorne doch noch ein paar Hütten erspähe. Dachte ich mir's doch, irgendwo müssen die Rinderhirten ja untergebracht sein. Selbstverständlich wäre es gar kein Problem, mein Zelt vor der Hütte aufzustellen, aber ich solle doch erst zum Abendessen mit herein kommen.
Xapuri - Capixaba
Sonntag, 06. Oktober
Als ich das muntere Städtchen am Nachmittag wieder verlasse zieht gerade ein Unwetter auf. Doch außer starken Gegenwind bringt es leider keine Abkühlung, die Regenwand zieht ein paar hundert Meter neben der Straße vorbei.
Am Abend versuche ich zunächst, es mir mitten im Wald bequem zu machen, finde aber keine gemütliche Stelle und steuere dann doch eine der Hütten an, die auf diesem Abschnitt immer wieder verstreut entlang der Straße anzutreffen sind. Das war kein Fehler. Selbstverständlich darf ich nicht vorne neben der Einfahrt zelten, sondern nur hier auf der Veranda, meine Tütensuppe darf ich auch nicht kochen sondern ich werde bewirtet wie noch nie, dann geht es mitten in der stockdunklen Nacht einen guten Kilometer über einen schmalen Dschungelpfad zu einer Nachbarhütte, wo noch ein Nachtisch und etwas zum herunterspülen organisiert wird.
Ist schon komisch, allein in den vergangenen 7 Tagen bin ich nun öfter zum Essen oder Übernachten eingeladen worden als in meiner gesamten Radlerkarriere im alten und neuen Europa zusammengenommen.
Capixaba - Rio Branco
Montag, 07. Oktober
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